Rückblick auf die 44. Legislaturperiode

9. Verkehr

91.306 Standesinitiative Bern. SBB-Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist
(Kantonsvariante)
Initiative du canton de Berne. Nouvelle ligne CFF Mattstetten-Rothrist
(tracé cantonal)

Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates: 05.02.1993

Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates: 01.11.1994

Ausgangslage

Die Linienführung für die SBB-Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist ist umstritten. Das von den SBB beim Bundesamt für Verkehr eingereichte Projekt wird von den betroffenen Regionen und Gemeinden abgelehnt. Die Kantone Bern und Solothurn, die Planungsverbände und Gemeinden setzen sich deshalb für die umweltfreundlichere "Variante Kantone" ein. Diese Variante hätte allerdings, vor allem wegen zusätzlicher Tunnelbauten, Mehrkosten von einigen hundert Millionen Franken zur Folge, welche nach Auffassung der SBB in dem von den eidgenössischen Räten festgelegten Kreditrahmen nicht Platz hätten.

Es ist somit ein politischer Entscheid über einen Zusatzkredit für die Verwirklichung des Konzeptes Bahn 2000 notwendig. Aus diesem Grunde hat der Grosse Rat des Kantons Bern an seiner Sitzung vom 30. Mai 1991 beschlossen, gestützt auf Artikel 93 der Bundesverfassung "eine Standesinitiative für einen Bundesbeschluss einzureichen, welcher für den Bau dieser Bahnlinie die Kantonsvariante (unter Einschluss des entsprechenden Zusatzkredits) vorsieht.

Verhandlungen

SR 28.04.1993 AB 1993, 280
NR 07.03.1995 AB 1995, 384

Der Ständerat lehnte die Standesinitiative ab. Als Befürworter des Anliegens warnte Büttiker (R, SO), ohne die von den Kantonen Bern und Solothurn geforderten ökologischen Verbesserungen laufe die Bahn 2000 auf ein "Stumpengleis". Mit einer Motion forderte er, der Bundesrat müsse dem Parlament deshalb zwingend eine Vorlage über eine allfällige Finanzierung der Kantonsvariante samt Muniberg- und Oesch-Oenz-Tunnel unterbreiten. Der Ständerat lehnte die Motion mit 22 zu 4 Stimmen ab. Dafür überwies der Rat eine ähnliche Forderung in Form eines Postulates, das die Kommission ausgearbeitet hatte. Damit wurde der Bundesrat "eingeladen", dem Parlament einen Bericht über eine generelle Überprüfung von Bahn 2000 vorzulegen. Darin sollten auch die Mehrkosten für die Kantonsvariante Mattstetten-Rothrist enthalten sein. Dieser Lösung schlossen sich auch die beiden Berner Abgeordneten Zimmerli (V) und Beerli (R) an. Die zahlreichen Einsprachen gegen die von den SBB geplante Streckenführung bewiesen, dass es "brodelt im Oberaargau", erklärte Beerli. Die SBB-Variante verletze die Umweltschutz-Gesetzgebung gleich in mehrfacher Hinsicht.

Bundesrat Ogi konterte, die Baukosten für die Strecke Mattstetten-Rothrist erhöhten sich von den veranschlagten 1,5 auf 2,2 Milliarden Franken, wenn sämtliche von den 6000 Einsprechern und dem BUWAL geforderten Verbesserungen realisiert würden. Und dies bei ursprünglich veranschlagten Kosten von 700 Millionen Franken.

Zwei Gründe waren für die Mehrheit des Nationalrates in erster Linie massgebend, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Der von den Kantonen Bern und Solothurn verlangte "Perfektionismus" wäre finanziell nicht zu verkraften und ein Nachgeben zöge sofort Zusatzforderungen anderer Kantone nach sich. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das vom Parlament beschlossene Plangenehmigungsverfahren über den Haufen geworfen würde, wenn es sich nun selbst zur Linienführung äusserte. Ferner würde ein gefährliches Präjudiz dafür geschaffen, wie regionale Anliegen mit Standesinitiativen durchgeboxt werden könnten. Mattstetten-Rothrist sei die Schlüsselstrecke der ersten Etappe der Bahn 2000 und vertrage keine Verzögerungen und keine Mehrkosten, sagten die bürgerlichen Gegner der Initiative.

Befürwortet wurde die Standesinitiative von bürgerlichen Vertretern der betroffenen Regionen, von den Grünen, von der LdU/EVP, von der SD/Lega und von einem Teil der Sozialdemokraten. Die Bevölkerung im Oberaargau stehe geschlossen hinter der Kantonsvariante, sagte Ruf (D, BE). Das SBB-Projekt verletze Umweltschutz-, Raumplanungs- und Gewässerschutzrecht.

Mit 130 zu 34 bzw. 98 zu 61 Stimmen wurden Motionen von Ruf (D, BE) und Vollmer (S, BE) abgelehnt. Ruf verlangte eine Vorlage über die Finanzierung der Kantonsvariante, Vollmer einen Vergleich der SBB- und der Kantonsvariante, um das Parlament entscheiden zu lassen.

Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern

 

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